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Der Wald ist es wert und verdient es um
uns jeden Augenblick, daß wir unter seiner
schönen Außenseite auch die innerlichen
Regungen seines Lebens aufsuchen.


Roßmäßler.


Jeder echte Naturfreund weiß, was eine Lebensgemeinschaft
ist. Er hat auf seinen Wanderungen Großes
und Kleines mit wachen Augen und fröhlicher
Anteilnahme bestaunt und die geheime Wechselbeeinflussung
der Naturdinge dabei erkannt. Er weiß, wo
bestimmte Pflanzenarten, bestimmte Insekten, bestimmte
Vögel mit Sicherheit anzutreffen sind, denn
die Beobachtung hat ihn gelehrt, daß die von ihm begehrten
Gewächse besonders beschaffener Örtlichkeiten
und die von ihm gesuchten Tiere einer bestimmten
Umwelt bedürfen, weil sie nur dort das für Wachstum
und Leben Erforderliche beisammen finden.
Der Zusammenhang zwischen Pflanze und Tier ist
ihm beim Schauen bewußt geworden, und wenn er
einen Naturwald durchschreitet, keinen der öden Nadelwälder,
in denen die Bäume parademäßig wie Soldaten
aufmarschiert sind, so ist er nicht darüber im
Zweifel, daß dieser Wald keine Zufallsgesellschaft
von Bäumen, Sträuchern und Bodenpflanzen, sondern
eine geschlossene Einheit von vielerlei Lebensformen
ist, die aufeinander angewiesen und voneinander abhängig
sind. Eine Lebensgemeinschaft, »Biozönose«,
wie der gelehrte Forscher sagt, zu der neben den Gewächsen
des Waldes auch die ihn bevölkernden Tiere
gehören, die großen und kleinen Säugetiere vom
Hirsch bis zur winzigen Spitzmaus herab, die Vögel,
die in Baum und Strauch nicht bloß ihre tägliche Nahrung
finden, sondern auch Brutgelegenheit, die mächtige
Heerschar der Insekten und nicht zuletzt die
hochbedeutsame, größtenteils mikroskopische Welt,
deren Wirkungsbereich der Waldboden ist. So innig
ist dieser Lebensverband zu einer Einheit zusammengeschmiedet,
so unverbrüchlich sind seine Glieder
eins durch das andere bedingt, daß er die Fähigkeit
besitzt, sich völlig aus eigener Kraft zu erhalten, solange
sein Lebensgleichgewicht nicht in gewaltsamer
Weise gestört wird.
Das darf freilich nicht zu dem Irrtum verleiten, als
herrschten unter den Waldbewohnern immer nur Eintracht,
Ruhe und Frieden. Den Spaziergänger, der
dem Stadtlärm entflieht, um in der Waldeseinsamkeit
den Nerven eine Erholung zu gönnen, mag es verständlicherweise
bedünken, als sei im Schatten der
dichten Kronen aller Daseinskampf verstummt. In
Wirklichkeit ruht er im Walde so wenig wie irgendwo
sonst in der freien Natur, und wehe dem Wald, wenn
es anders wäre! Denn erst dem Wettstreit um Licht
und Nahrung, der die Schwachen bedroht und die
Starken fördert, verdankt er den Zustand des Gleichgewichts,
der ihm als Biozönose eignet und ihm seinen
Dauerbestand verbürgt.
Wohl gibt es zahlreiche Lebensverbände mit gegenseitiger
Bedingtheit ihrer gesamten Mitgliedschaft
– es sei nur an die Wiese erinnert, an Heiden,
Moore und so weiter –, doch ist bei keinem das
Gleichgewicht, das Wechselspiel zwischen Kampf
und Anpassung, gleich gut gesichert wie beim Wald.
Er war schon da, als vom Menschengeschlecht noch
jegliche Spur auf der Erde fehlte. Millionen von Jahren
lebt er bereits, wenn auch nicht immer mit gleichem
Gesicht. Er zieht seine Lebenskraft aus sich
selbst. Noch niemals haben Menschenhände einen
Naturwald aufgebaut. Wo Klima und Bodenbeschaffenheit
überhaupt einen Baumwuchs möglich machen,
wird jede beliebige Pflanzengesellschaft im Laufe von
ein paar hundert Jahren unausweichlich zu einem
Wald, und wenn sich Klima und Boden nicht ändern
und Menschenmacht nicht gewalttätig eingreift, so
wahrt dieser Wald, wo er einmal gewachsen, für alle
Zeiten sein Herrscherrecht und dehnt sein Reich
immer weiter aus.



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