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Woran erkennt man
die wichtigsten Stilarten?


Illustrierte praktische Anleitung zum Unterscheiden der charakteristischen Merkmale der wichtigsten Stilarten im Bau- und Kunstgewerbe

(Architektur, Möbel und Dekorationen)



Von

Robert Bücheler


Zum Eingang.

Gar mancher benützt das Wörtchen Stil weiß Gott wie oft, ohne sich darüber klar zu sein, was in diesen vier Buchstaben eigentlich steckt, vielleicht wird es einmal anders, wenn schon im Schulunterricht neben der allgemeinen Weltgeschichte auch der Kulturgeschichte eine größere Beachtung geschenkt werden kann. Vorläufig macht sich noch bei manchem unserer Mitmenschen im späteren Leben in dieser Hinsicht ein Mangel fühlbar, sei es direkt in seinem Beruf, sei es dann, wenn er die Schönheiten der Baudenkmäler aus früheren Zeiten, oder die aus den Werkstätten unserer alten Meister hervorgegangenen Arbeiten bewundern und verstehen will.
In solchen Fällen möge vorliegendes Werkchen, in dessen bescheidenem Umfang der gewaltige Stoff natürlich nicht erschöpfend behandelt werden kann, helfend eingreifen und den aufmerksamen Beobachter wenigstens einigermaßen mit den hauptsächlichsten Merkmalen der Werke vergangener Epochen bekannt machen.

Der Verfasser.



Die Einführung.

Jeder Mensch, der mit offenen Augen durch die Welt wandelt und eine Freude an den Werken unserer alten Meister hat, kommt des öftern in die Lage, über diese Arbeiten ein Urteil abgeben zu wollen oder zu sollen. Er vermag aber nur dann die Sprache einer Zeit zu verstehen und die Schönheiten aller Werke der Kunst und des Kunstgewerbes zu würdigen, wenn er sich in die Zeit ihrer Entstehung zurückzuversetzen vermag. Ein solches Verständnis wird nun geradezu zur Notwendigkeit für diejenigen Kreise, deren Tätig­keit sich auf diesem Gebiet bewegt.

Das erste Mittel, sich mit dem ureigensten Wesen jeder Stilart vertraut zu machen, wäre, die Weltge­schichte zu studieren, die uns ein mit dem Entstehen und Fallen der einzelnen Völkerschaften zusammen­hängendes Bild vom Auf- und Niedergang der Kultur und Kunst gibt. Das zweite Mittel besteht darin, sich durch fleißiges Skizzieren die Formen und Eigentüm­lichkeiten der einzelnen Epochen einzuprägen. Beides ist leider für viele aus Mangel an Zeit ausgeschlossen, und aus diesem Grunde wird es vermutlich dankbar begrüßt, daß wir hier ein Material bieten, das diese Lücke einigermaßen ausfüllt. Unsere Abhandlung soll dem Leser eine gewisse Selbstständigkeit verschaffen,

die ihm ein eigenes Urteil erlaubt.

Dem ganzen Zweck dieses Büchleins entsprechend wird in ihm ja in erster Linie die innere Ausge­staltung der menschlichen Wohnung behandelt. Doch soll zur allgemeinen Einführung in das Verständnis für die Formenwelt der einzelnen Epochen die Baukunst, die in gewissem Sinn wohl die Mutter unserer Wohnungskunst genannt werden kann, gestreift werden.

Wenn wir uns bei unseren Betrachtungen aus­schließlich auf die Stilentwicklung in Deutschland be­schränken wollten, müßten wir etwa mit der Zeit ums Jahr 1000 unserer Zeitrechnung beginnen.

Doch hat aber die Formenwelt der längst vergange­nen Epochen, der Antike - wie wir die Zeiten der Ägypter, Griechen und Römer nennen - die Anfänge unserer abendländischen Kunst in so hohem Maße beeinflußt, daß es unumgänglich notwendig erscheint, zunächst einen Blick auf die Schöpfungen der ersteren zu werfen.

Es ist nun nicht möglich, bei einer Besprechung der Wohnkultur der Menschheit für deren Beginn irgend einen bestimmten Zeitpunkt anzugeben. Während bei uns im Westen Europas im zweiten und dritten Jahr­tausend v. Chr. unserer Urväter spärlicher Hausrat noch in Höhlen, Zelten und Pfahlbauten untergebracht war, hatte sich im Osten bereits eine sehr hohe Kultur entfaltet. 

Dort ist es namentlich das Volk der Ägypter, welches wir vor allen anderen als die Urquelle des Kulturlebens betrachten können.

Die Antike.

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Die Ägypter.

Bereits im Jahre 3000 v. Chr. hatte sich dieses ar­beitsame Volk im Kampf mit den Naturgewalten, wie wir sie in den jährlichen Überschwemmungen des

Nils kennen, zu einem festgefügten Reich zusammengefunden. Namentlich in der Glanzzeit Ägyptens, dem sogenannten neuen Reich um 1600-100 v. Chr. war Kultur und Kunst zu hoher Blüte gelangt und Handel und Gewerbe hatten bedeutende Ausdehnun­gen angenommen.

Die ägyptische Baukunst fand ihren Ursprung in der Religion und ihren Ausdruck in den Schöpfungen der Königsgeschlechter. Die von ihnen erbauten Tem­pel und Paläste, sowie ihre Grabdenkmäler, die Pyra­miden (Seite 4), legen Zeugnis ab von der Macht der damaligen Beherrscher dieses Reiches. Die Pyramide des Cheops (Abb. 2) hat eine Höhe von 146,5 m. Sie enthält eine ins Innere führende schräg aufsteigende Galerie von 47 m Länge, 8,5 m Höhe, mit Luftkanälen ins Freie.

 

In der Nähe dieser Pyramide steht die 40 m lange und 20,4 m hohe Kolossalfigur eines Löwen mit dem Kopf eines Menschen. Er gilt als Symbol des Sonnengottes oder als Wächter des Grabmals. In den Tempelbauten der Ägypter begegnen wir eigentlich zum erstenmal dem ausgesprochenen Steinbau mit seiner Gliederung in Säulenstellung und Architrav. Die Decken wurden durchweg mit Steinplatten abgedeckt, die Wände schmückten bemalte Reliefs mit Motiven aus der Tier- und Pflanzenwelt, sowie reiche Bilderschrif­ten, die Hieroglyphen.

 

Was die Profilierung ihrer Gesimse anlangt, so finden wir fast immer die mit einer Platte abgedeckte geradlinige Hohlkehle, unten mit dem Rundstabe abgeschlossen (Abb. 6), überhaupt herrscht überall die gerade Linie vor, Rundbogenbildungen existieren nicht. Als tragende Glieder sehen wir in der Steinarchitektur Säulen verwendet, die einen mit Bändern zusammengehaltenen Büschel von Stempeln der Lotuspflanze vorstellen. Die Kapitäle dieser Säulen wurden den geschlossenen oder geöffneten Blüten der Lotus oder Papyrus nachgebildet (Abb. 7 und 8). Am Mobiliar sind derartige runde Körper bis jetzt nirgends gefunden worden; dieser Umstand ist wohl darauf zurückzuführen, daß den Ägyptern, wenigstens denjenigen der früheren Perioden, die Drehbank noch nicht bekannt gewesen zu sein scheint.

 

Was nun das Mobiliar anlangt, so erreichten hier ihre Leistungen diejenigen der Steinarchitektur nicht; nicht wenig mag zu diesem Umstand vielleicht auch

der geringe Holzvorrat beigetragen haben, denn selbst in der Kleinkunst, z.B. in der Herstellung von Schmucksachen aus Metallen und kostbaren Steinen, waren sie weiter vorangeschritten.

 

Das Ornament, meist als Malerei verwendet, hat bei dem streng religiösen Sinn der Ägypter fast ausnahmslos eine symbolische Bedeutung und bleibt immer leicht verständlich. An pflanzlichen Motiven liegt dem Ornament meist das Vorbild der bereits erwähnten heilig gehaltenen Lotusblume, des Papyrus und Palmbaums zugrunde, an tierischen das des Sperbers, Widders und namentlich oft das des Mistkäfers. Ein weiteres häufig angewendetes Motiv ist die geflügelte Sonnenscheibe (Abb. 6). Nicht selten sind auch die Darstellungen des Menschen, sowie auch - namentlich in der Plastik - eine Verbindung von Menschen- und Tierleib, wie schon erwähnt, Sphinx (Abb. 2), genannt.

 

Was nun den Zusammenbau der einzelnen Möbel­stücke anlangt, so läßt dieser nach unseren Begriffen natürlich manches zu wünschen übrig; es mag dies seinen Grund darin haben, daß den Ägyptern verschiedene wichtige Werkzeuge, wie z.B. der Hobel gänzlich fehlten, dagegen finden wir in der dekorativen Behandlung des Holzes mit Schnitzereien, Einlagen aus Email, Elfenbein und anderen kostbaren Stoffen eine ganz bedeutende Fertigkeit.


Abb. 1. Ägyptischer Wohnraum.


(Aus Lambert & Stahl, »Das Möbel«, Verlag von J.

Hoffmann. Stuttgart.)

Da es unsere Leser sicher interessieren wird, einen Handwerker dieser Zeit bei der Arbeit zu sehen, haben wir in Abb. 3 eine derartige Darstellung eingefügt. Der Schreiner zur Linken macht mit einem Drillbohrer Löcher in die Sitzrahme eines Stuhles, mit der linken Hand hält er das Kernstück, in dem sich die Spitze der Bohrspindel dreht, die Rechte handhabt den Fiedelbogen, der unten ganz praktisch krückenförmig umgebogen ist. In der Mitte des Raumes liegt ein Hauklotz.


Abb. 2. Pyramide des Cheops und Sphinx. (Aus. Dr.-Ing. Hartmann, »Die Baukunst«, Verlag Karl Scholtze, Leipzig.)

Um ihn als solchen zu kennzeichnen, hat der alte Bildhauer, dem wir das Relief verdanken, die radialen Markstrahlen auf die Langseite des Holzes gezeich­net, während sie in Wirklichkeit natürlich auf der obe­ren oder Hirnfläche zutage treten. Zwei Dächsel, ein Winkelmaß und drei Stuhlbeine, deren Zapfen ange­deutet sind, füllen den leeren Raum um den Klotz herum. Rechts sitzt auf einem Holztrumm ein zweiter Schreiner und bearbeitet mit zierlich gespitzten Fin­gern, die einen Bausch voll Politur oder Farbe halten, das gerundete Bein einer Lagerstätte.


Abb. 2 a. Vorderansicht des Tempels zu Edfu. (Aus Dr.-Ing. Hartmann, »Die Baukunst«, Verlag Karl Scholtze, Leipzig.)

Was die Einzelstücke des Mobiliars anlangt, so scheinen Schränke in unserem Sinn sehr selten ange­fertigt worden zu sein. Zur Aufbewahrung der Wä­sche und Kleidungsstücke wurden vermutlich fast all­gemein die truhenartigen Kästen benützt, wie sie in Abb. 4 wiedergegeben sind. Wie wir aus der Be­schreibung dieser Stücke feststellen können, sind die Stücke 1-3 durch einen sich meist in einer Rute be­wegenden Schiebdeckel geschlossen. An den Beispie­len 4 und 5 sehen wir eine Truhe mit zwei dachförmig gegeneinander stehenden Deckeln, die Ornamente an den Stirnseiten sind Elfenbeineinlagen. Die an Kasten und Deckel der Modelle 6 und 7 angebrachten Knöpfe dienen zum verschließen mit einer oft sogar noch ge­siegelten Schnur.


Abb. 3. Ägyptische Schreiner bei der Arbeit. (Abb. 3, 4 und 5 nach Köppen & Breuer, Verlag von

B. Heßling, Berlin.)

Daß diese Truhenform ziemlich lange beibehalten worden ist, beweist die Ornamentation in der Giebelseite an Beispiel 8, es machen sich hier bereits griechische Einflüsse bemerkbar.

Im Gegensatz zum Schrankmobiliar finden sich Abbildungen von Ruhebänken und allerlei Tischen in größerer Anzahl, die reichste Mannigfaltigkeit scheint aber unter den Sitzmöbeln geherrscht zu haben. Ein allem Anschein nach viel benutztes und auch in den Darstellungen oft wiederkehrendes Möbel dürfte der Hocker, Abb. 5 (6), gewesen sein. Seine Sitzfläche bestand entweder aus Geflecht oder aus Leder. Der geradlinige Thronsessel (1) scheint hauptsächlich für Repräsentationszwecke gebaut worden zu sein, dage­gen sind in den Modellen 2, 3, 7 und 8 Möbel ge­schaffen, die wir getrost als Grundform unserer heuti­gen Stühle betrachten können. Ihr Schmuck bestand aus farbigen Ornamenten, Schnitzereien, Einlagen aus farbigen Hölzern, Elfenbein, Perlmutter, Metall usw. An einigen dieser Stühle können wir auch die nament­lich für unsre Tapezierer sehr interessante Beobach­tung machen, daß, um ein bequemeres Sitzen zu er­möglichen, die Stühle damals nicht nur schon mit kissenartigen Polstern belegt worden sind (2), sondern bei ihnen sogar schon, wie aus den Beispielen 3, 7 und 8 hervorgeht, eine regelrechte Polsterung der Gestelle stattgefunden zu haben scheint.


Abb. 4. Altägyptische Truhen und Kästen.

Als weitere in das Fach des Tapezierers einschlagende Arbeit kann dann höchstens noch das Aufhängen der Teppiche betrachtet werden, die entweder als Schmuck verwendet wurden oder als Türverschluß gedient haben, indem sie nach Art unserer Rouleaus mit einer Zugschnur um eine über der Tür angebrachte Holzrolle gewickelt wurden. Der Wandschmuck, den uns heutigentags unsere Tapeten abgeben, wurde in jener Zeit durch Malereien gebildet, mit denen die

ganzen Wände bedeckt worden sind.


Abb. 5. Ägyptische Ruhemöbel.


Abb. 6. Ägyptisches Hauptgesims.

(Nach H. Dolmetsch, »Ornamentenschatz«, Verlag von J. Hoffmann, Stuttgart.)

Ums Jahr 800-600 v. Chr. müssen dann weiterhin, wie aus den spärlichen Überresten hervorgeht, im As­syrischen Reiche kostbare Erzeugnisse ans den Hän­den der Schreiner hervorgegangen sein, die dem ägyptischen Mobiliar gegenüber einen wesentlichen Fort­schritt bedeuten; doch fehlen den Persern, auf welche nach dem Sturz des Babylonischen Reiches die Kultur überging, die Eigenschaften zur nachhaltigen Förde­rung von Kunst und Gewerbe.

 



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