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Der gotische Stil

 

Mit dem Niedergang des hohenstaufischen Kaisergeschlechtes erlosch von der Mitte des 13. Jahrhunderts an die Machtstellung Deutschlands, an seiner Stelle übernahm das sich nun lebhaft entwickelnde Frankreich die Führung, und Paris wurde von da an der Mittelpunkt der Künste und Wissenschaften. Dort wird die durch die Kreuzzüge und den Welthandel geschaffene Bekanntschaft mit der orientalischen Kunst nicht ohne Einfluß auf die Formengebung dieser Zeit geblieben sein.


Bereits ums Jahr 1150 übernahm man in Frankreich den Spitzbogen als neues Element. Mit dieser Dekorations- und Wölbungslinie wurden die Fenster größer, die Dächer steiler und die Türme höher und schlanker.

 

Es ist ganz interessant zu beobachten, wie sich die Entwicklung der neuen architektonischen und ornamentalen Ausgestaltung sehr deutlich an den Bauten jener großen Kathedralen bemerkbar macht, deren Erstellung längere Zeit erforderte. Wir sehen an ihnen oft deutlich, daß mit dem unteren Teil des Baues beispielsweise noch in romanischer Zeit begonnen wurde, während er nach oben bereits in die folgende gotische Periode hineingewachsen ist.


Gegen Ende des 12. Jahrhunderts gelangt das Papsttum zu seiner größten Macht, neben ihm beginnt sich aber auch das Bürgertum zu regen, und überall wurde nun der erlangten Macht und Wohlhabenheit durch Erstellung mächtiger Gotteshäuser Ausdruck zu geben versucht. In diesem Streben nach oben entwickelte sich die ganze Baukunst.

 

Neben der Kirche waren es jetzt hauptsächlich auch weltliche Baumeister und Handwerker, die ausgedehnte Verbände und Zünfte bildeten, in denen ihr Nachwuchs, in ernstem Studium in Kunst und Handwerk eingeführt wurde.
   

Der Spitzbogen beherrschte bald nicht nur das Gewölbe, sondern auch im geschlossenen Mauerwerk alle Tür- und Fensteröffnungen, erst später kamen dann auch die geschweiften Formen in Aufnahme.
 

Im Aufbau der Fassaden vermögen die zurücktretenden Horizontalgliederungen die überall betonte Vertikallinie nicht zu beeinflussen, zur Steigerung der Wirkung läuft dann das Mauerwerk in zahllose Türme und Fialen, mit oft an Filigran erinnernder Durchbildung aus. Die Kanten dieser Türme, Giebel, Fialen usw. wurden meist mit den sogenannten Krabben und ihre Spitzen mit Kreuzblumen – beide aus nach oben strebenden Blattknollen gebildet – besetzt. (Abb. 47.)


Im Innern ziehen schlanke Säulenbündel und Pfeiler die Blicke nach oben (Abb. 48). Die Fenster erfahren in der Regel eine ungemein reiche dekorative Ausgestaltung, schlanke senkrechte Sprossen-teilungen lösen sich in dem Feld des Spitzbogens in ungemein abwechslungsreiches Maßwerk auf. Am Portal ist diese obere Partie meist mit figürlicher Plastik gefüllt. Das plastische Ornament lehnt sich in der Frühgotik mehr als in der vorangegangenen Zeit ziemlich streng an die Natur an, später lassen die Übertreibungen und Stilisierungen nicht immer die Naturformen erkennen.


In der Malerei ist eine der Architektur entsprechende Weiterentwicklung eigentlich nicht zu beobachten, dagegen entfaltet sich die Glasmalerei zu hoher Blüte und schafft Arbeiten von hohem künstlerischem Wert.

 

Im Überblick über diese Zeit des Mittelalters lassen sich bei uns in Deutschland wieder drei Perioden unterscheiden:

               

 

                1. Frühgotik, 13. Jahrhundert.
                2. Blütezeit,  14. Jahrhundert.
                3. Spätgotik, 15. Jahrhundert.


So wirksam sich nun an den kirchlichen Baudenkmälern die Spitzbogen, das Maßwerk, die Fialen (häuschenartige Aufsätze), Wimperge (spitze Giebel) mit den Kreuzblumen als obere Endigung und den seitlichen ornamentalen Ausläufern, den Krabben usw., verwenden lassen, so wenig gerechtfertigt ist aber ihre Nachahmung in der Innendekoration des Profanbaues, da diese spitzen Endigungen sich in die Decke des betr. Raumes einzubohren scheinen.

 

Entweder mag nun die Empfindung für das Unnatürliche oder eine gewisse religiöse Scheu vor der kirchlichen Kunst die Handwerksmeister in den ersten Zeiten der Gotik vor solchen Nachahmungen bewahrt haben, sicher ist jedenfalls, daß noch lange, nachdem die »neue Richtung« an den Kirchenbauten ihre höchsten Triumphe gefeiert hatte, im ganzen Kunstgewerbe starke Anlehnungen an die romanische Zeit stattgefunden haben.


Erst in der Spätgotik, zu Zeiten des Verfalls begegnen wir dann solchen Ausschreitungen, die aber meist noch viel schlimmer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von uns übertrieben worden sind. Täfelwerk und Mobiliar trugen anfänglich immer noch den Charakter der Zimmermannsarbeit, wenn auch Kehlungen und Ornamente nach und nach häufiger wurden. Die Wandbekleidungen wiesen große, nur durch schmale Leisten getrennte Füllungen auf, ihre Höhe war verschieden, meist 180–200 cm hoch, oft sogar bis an die Decke reichend. Im ersteren Fall erhielten die über der Täfelung liegenden Wandfelder ihren Schmuck durch Malerei oder Teppiche.


 Abb. 49 zeigt uns als charakteristisches Beispiel eine solche Wandausbildung aus Schloß Tratzberg in Tirol (»Kunstschätze aus Tirol«, Verlag von A. Schroll & Co., Wien). Diese ehemalige Festung, die erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts als Herrensitz umgebaut wurde, ist zwar in der Außenarchitektur bereits von der kommenden Epoche beeinflußt, »wohingegen aber ein großer Teil seiner Innenräume die am Ausgang des Mittelalters in Tirol noch lange festgehaltene gotische Dekorationsweise hinsichtlich Vertäfelungen, Decken und Mobiliar in mannigfacher und prächtiger Durchbildung aufweist«.

 

Die Deckenausbildung geschah auf zweierlei Arten. Nicht selten wurde das Gebälk sichtbar belassen und höchstens seine Kanten mit Hohlkehlen oder Rundstäben profiliert, im übrigen blieben die Balken schmucklos, eine Ausnahme hievon machten höchstens ihre mit Wappen oder Figuren geschmückten Wandkonsolen. Die zweite Art der Deckenausbildung war die Verschalung des Gebälks mit Brettern, die zwischen den einzelnen Brettern entstehenden Fugen wurden mit Leisten bedeckt (Abb. 49). Vermutlich ist hier der Ursprung unserer heutigen Leistendecken, zu suchen, an denen derartige Leisten nach irgendeinem bestimmten geometrischen Muster, also als bloße Verzierung auf dem Putzgrund angeheftet sind. Was das Mobiliar anlangt, so finden wir bei der allmählich auftretenden Nachahmung der Steinarchitektur als oberen Abschluß der Schrankmöbel (Abb. 50 und 53) vielfach die den Festungsbauten entlehnte Zinnenbildung.

  

Immerhin eignen sich aber derartige mehr horizontale Gliederungen natürlich viel eher zur Verwendung in der Innendekoration als wie jene vorerwähnten himmelanstrebenden Ausläufer. Alle Kehlungen und Profilierungen wurden ziemlich flach gehalten und die namentlich in Deutschland mit Vorliebe angewendeten größeren glatten Flächen mit ornamentierten Friesen umrahmt. Die streng stilisierten Ornamente zeigten fast ausschließlich Motive, die der heimischen Pflanzenwelt entnommen und mit allerlei Getier belebt wurden, ein Merkmal, das wir schon beim vorbesprochenen nordischen Stil zu beobachten Gelegenheit hatten. Nur sind sie in frühgotischer Zeit ganz flach behandelt, d.h. in einen etwa fünf Millimeter tiefen rauhen Grund gesetzt und vielfach mit lebhaften Farben bemalt.
   

Fast noch mehr als zur romanischen Zeit geschah im Mittelalter in der Verwendung schmiedeeiserner Schlösser und Beschläge; letztere überzogen oft ganze Flächen und waren infolge der weit vorgeschrittenen Technik natürlich viel detaillierter ausgearbeitet als die früheren.

Nicht selten wurden zur Steigerung der Wirkung die durchbrochenen Teile dieser Beschläge mit farbigem Leder unterlegt. Als weiteres wichtiges Schmuckmittel jener Epoche ist die aus verschiedenen farbigen Hölzern meist nach geometrischen Motiven zusammengesetzte Intarsie zu nennen. Diese namentlich in Deutschland vielfach benützte Dekoration konnte natürlich fast ausschließlich nur für glatte Flächen in Betracht kommen. Sie mag deshalb wohl auch ein gut Teil dazu beigetragen haben, daß im Norden die gesunde Richtung, nach den in den dortigen Ländern gefundenen Kunstschätzen »Tiroler Gotik« genannt, lange Zeit die Oberhand behielt.
 

Das mächtig aufblühende Handwerk hatte die deutsche Stube allmählich mit allem möglichen Hausrat versehen. Neben den immer noch beliebten Truhen war eines der wichtigsten Stücke der große Schrank (Abb. 50, 53, 54).


Der Stuhl blieb nicht mehr wie vordem ein bevorzugter Sitzplatz des Hausherrn, sondern wurde, in mannigfaltiger Weise ausgebildet, bald ein allgemein benutztes Gebrauchsmöbel (Abb. 49). Als weitere Sitzgelegenheit dienten die den Wänden entlang aufgestellten Bänke (Abb. 49), die des bequemeren Sitzens wegen mit Teppichen oder Kissen belegt wurden; feste Polsterungen im heutigen Sinne waren damals nicht bekannt.

 

 


Abb. 51Auch die Tische bestanden, wie aus den Abb. 49, 51 hervorgeht, nicht mehr ausschließlich aus dem viereckigen Gestell mit aufgelegter Platte, sondern erhielten die ihrer Bestimmung als Eß-, Arbeits- usw. Tische angepaßten Formen und Konstruktionen. Gehörten doch schon zu dieser Zeit Klapp- und Auszugstische nicht zu den Seltenheiten.


Auf den Tisch als Grundform sind wohl auch jene Aufbauten zurückzuführen, von denen in Abb. 56 ein treffendes Beispiel wiedergegeben ist. Bei dem sich allmählich entwickelnden regen gesellschaftlichen Leben und den hieraus entstehenden Festlichkeiten und Gelagen mögen diese Abstelltische wohl gerne, sowohl zum Ablegen der Speisen und Getränke, als auch zum Aufstellen der Prunkgeräte benützt worden sein.
 

Sehr oft treffen wir noch in Innenräumen, die aus dieser Zeit stammen, jene schlanken in die Täfelungen eingebauten Waschschränkchen mit Wasserbehälter und Waschschüssel.
   

Was die Betten anlangt, haben sich im Mittelalter die schon in der vorhergegangenen Epoche beliebten Ein- und Umbauten immer mehr eingebürgert, vielfach sind sogar Bettstellen, in eine Zimmerecke eingebaut, erhalten, deren Fußteil vollständig als Abschlußwand aus Holz ausgebildet wurde (Abb. 58.)
  

Das Herbeiziehen von Metallarbeiten in die Wohnungsausstattung blieb nicht mehr wie früher auf die schmiedeeisernen Bänder und Beschläge am Mobiliar beschränkt, sondern es wurden auch die sonstigen aus den Werkstätten dieser Handwerker hervorgegangenen Erzeugnisse, wie Trinkgefäße, Beleuchtungskörper, Uhren usw. allgemein als Prunk- und Dekorationsstücke verwendet.
   

Schließlich sei noch ein weiteres wichtiges Stück der mittelalterlichen Wohnung erwähnt, der Ofen.

Für uns ist es wichtig, zu wissen, daß in diesem Zeitalter der Kamin mit seinem offenen Feuer durch den Kachelofen verdrängt wurde, und daß dieser sich die einmal eroberte Stellung einige Jahrhunderte lang zu erhalten gewußt hat.


Auch die ersten Versuche mit Fensterverglasungen aus Butzenscheiben fallen in jene Zeit, und welche trauliche und gemütliche Stimmung wußten nicht unsre Vorfahren mit diesem bescheidenen Mittel zu schaffen!
   

Glücklicherweise sind uns aus diesen Zeiten noch manche wertvolle Schätze erhalten geblieben, die uns immer wieder mit großer Bewunderung für die damaligen Meister erfüllen.
   

Einige dieser Arbeiten sind hier im Bilde wiedergegeben, bei der beabsichtigten Knappheit mußten natürlich die Beispiele auf das Notwendigste beschränkt werden.
   

Der Innenraum aus dem vorerwähnten Schloß Tratzberg in Tirol (Abb. 49) gestattet uns einen deutlichen Einblick in die damalige »Raumkunst«. Wir sehen hier, wie die Wände bis an die Decke mit großen Füllungen vertäfelt und ihre Fugen mit profilierten Leisten verdeckt wurden. In ähnlicher Weise ist auch die Decke behandelt, nur sind hier die Felderteilungen durch mächtige, die Last der Decke tragende Balken unterbrochen. Zur Beleuchtung des Raumes dient ein an diesen Balken aufgehängtes Lüsterweibchen, gebildet aus einem weiblichen Vorderkörper mit angesetzten Geweihstücken. In vielen Fällen war an Stelle des Lüsterweibchens auch ein schmiedeeiserner Kronleuchter verwendet. Die kräftigeren Mauern wurden an geeigneten Stellen mit Nischen versehen, diese gegen das Zimmer mit einer passenden Tür abgeschlossen und auf solche Weise dann praktische Wandkästen geschaffen. Sowohl an Tischen als auch an Stühlen bemerken wir bereits die den speziellen Zwecken angepaßte verschiedenartige Ausbildung, auch die Sitzbänke fehlen
nicht, mit ihren als Abschluß gegen die Tür dienenden Seitenbacken.


   

Bereits macht sich auch, wie wir hier sehen, in bescheidenem Maße das Bestreben geltend, die Wände mit aufgehängten Bildern zu schmücken. Abb. 50 gibt einen der schon vorerwähnten Schränke wieder. »Ein sehr spätes (von 1545 datiertes) Stück dieser Art, aber immer noch von einer bewunderungswürdig stilvollen Gliederung der Teile, bei Vermeidung jedes architektonischen Firlefanzes, wohl Nürnberger Arbeit.«
   

Die Tische, Abb. 51, stammen aus Schloß Tratzberg in Tirol. Ihre Füße, als Glieder des Tragens und Stützens, bestehen scheinbar aus gewundenen Baumstämmchen.
   

Auch der Schrank, Abb. 53, stammt dorther, »er ist ein Prachtstück unter den Möbeln dieses Schlosses. An diesem aus Zirbelholz konstruierten und furnierten Möbel gotischen Stils vereint sich eine kräftige Architektur mit zartem und bemaltem Schnitzwerk, Intarsien und Schmiedearbeiten in harmonischer Weise«.  

Im Gegensatz zu diesen prächtigen Tiroler Arbeiten hatten die südlichen Länder, Italien und namentlich Frankreich, schon zeitig damit begonnen, das Holzwerk mit nachgeahmten Strebepfeilern, Tür- und Fensterausbildungen usw. zu bekleben (Abb. 55 und 56).

Nachdem einmal die ausladenden Profilierungen aus der Steinarchitektur übernommen waren, vollzog sich der Übergang ziemlich rasch. Diese kräftigen Gesimse verlangten naturgemäß auch am Rahmenwerk, Sockel u. dgl. entsprechende Ausladungen. Den auf diese Weise gesteigerten plastischen Wirkungen entsprachen dann aber auch die großen Flächen mit ihren flachen Ornamenten nicht mehr, so daß sie bald den schmalen, durch kräftig profilierte Leisten getrennten Füllungen weichen mußten. In ähnlicher Weise erging es den Ornamenten. Den kräftig gekehlten Umrahmungen gegenüber mußte natürlich das Flachornament viel zu nichtssagend wirken und gar bald trat an seine Stelle eine kräftig modellierte pflanzliche und figürliche Ornamentik.
   

Wozu dann diese Nachahmungen der Steinarchitektur führen, zeigt fich sehr deutlich in Abb. 59.

Ein derartiger Innenausbau will sich schon für solch groß angelegte Repräsentationsräume nicht recht eignen, noch viel weniger aber sind natürlich diese Übertreibungen in den bescheidenen Verhältnissen der bürgerlichen Wohnung am Platz. Wenn diese Formen hier durchaus angewendet werden sollen (Abb. 60 und 61), muß dies mit einer Vorsicht geschehen, die solche Ausschreitungen vermeidet. Immer und immer wieder ist mit wechselndem Glück in späteren Zeiten versucht worden, Innenräume im Geiste dieser Zeit zu schaffen, so zeigt die Abb. 61 einen Wohnraum, der in den unseren heutigen Bedürfnissen angepaßten Formen der Tiroler Gotik ausgearbeitet ist. Das dort verwendete Material war Eichenholz, in stumpfer graugrüner Farbe gebeizt, die in hellem Putz belassene gewölbte Decke hatte eine einfache Malerei erhalten. Die Sitzmöbel sowie der Fußboden waren mit echten Teppichen belegt, die Dekorationen bestanden aus einfarbigem rotem Tuch mit Bortenapplikationen. Man hatte sich bei der Herstellung solcher Dekorationen eben einfach dadurch zu helfen gesucht, daß man unter Vermeidung aller faltigen Arrangements die glatte Lambrequindekoration mit gotischen Konturen und Applikationen versehen hatte.
   

Bei seinen Nachahmungen wurde natürlich der gotische Charakter hauptsächlich für solche Räume gewählt, in denen eine derbere und massigere Wirkung am Platze ist, z.B. in Speise- und Herrenzimmern oder Hallen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: Bücheler: Stilarten



 

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