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La Régence, Louis XV., Rokoko


    Gegen das Ende seiner Jahre war Louis XIV., des üppigen Wohllebens übersatt, zu großer Frömmigkeit zurückgekehrt und hatte nach einfacheren Verhältnissen zurückverlangt.


Um so schärfer trat aber dann in der Innendekoration die ungezügelte Leidenschaft, die nach wie vor das französische Hofleben beherrschte, hervor. Wenn noch zur Zeit des Barockstiles der Schwerpunkt des künstlerischen Schaffens in der Baukunst lag, so lebte sich die anschließende Übergangs- und die spätere Rokokozeit hauptsächlich in der Wohnungskunst aus.
    Wohl machte sich in der architektonischen Gliederung der Fassade eine deutliche Anlehnung an die Antike bemerkbar, dagegen wurde das Ornament nach und nach mit einer beispiellosen Freiheit behandelt, die zuletzt dem uneingeschränkten Walten koketter Phantasie freie Bahn ließ.
    Mit dem Tode Louis XIV., im Jahre 1715, traten dann rasche gewaltige Umwälzungen ein. Für den noch minderjährigen Louis XV. hatte Herzog Philipp von Orleans die Regentschaft übernommen, weshalb die Stilperiode dieser Zeit mit La Régence bezeichnet wird. Mit aller Macht war in dieser Zeit eine Hochflut des gesellschaftlichen Lebens hereingebrochen. An den Linien des Mobiliars macht sich zunächst eine vornehme Eleganz bemerkbar, die Ornamente werden leichter und zierlicher behandelt wie im Barock, doch herrscht immer noch strenge Symmetrie. Den leichteren und eleganteren Marquetteriemöbeln mit zierlichen Metallauflagen wurde der Vorzug gegeben. Die geradlinigen Füße an Tischen und Sitzmöbeln mußten bald der geschweiften Linie weichen, die Schweifung erstreckte sich nicht mehr bloß auf die Füße, sondern ging auch bald auf die Flächen der Möbel über.

Bücherschrank
 

 

 

 

    In der linken Abbildung ist eins der besten Stücke aus jener Zeit wiedergegeben. Unstreitbar haben wir es hier mit einem Möbel zu tun, das man getrost als aus der Blütezeit des französischen Kunstgewerbes stammend, bezeichnen kann. Es ist frei von geschmacklosen Anlehnungen an die klassischen Stilarten, aber auch weit entfernt von den Ausschreitungen des nachfolgenden Rokoko zur Zeit Louis XV. In der ersten Hälfte der Regierungszeit dieses Fürsten (1723–74) kennt die leichtsinnige Lebenslust und die Sittenlosigkeit keine Grenzen mehr. Auf das Schaffen damaliger französischer Künstler, namentlich solcher, die direkt mit Arbeiten für den Hof beschäftigt waren, konnte dieses Treiben natürlich nicht ohne Einfluß bleiben. Alles wird gewissermaßen zum flüssigen Linienspiel, zur Verzierung. Gesimse, Säulen und Pilaster wurden im Innern größerer Räume nur rein dekorativ verwendet, in kleineren Räumen erhielten die Wandflächen eine Aufteilung durch profiliertes Rahmenwerk, dessen Zierleisten lösten sich dann in ein Rankenwerk mit Muscheln, Palmetten usw. auf. Auch Blumengirlanden, lange Schilf- und Palmblätter, Tropfsteingebilde usw. unterbrechen die eleganten Linienführungen.


Dieses leichtflüssige und scheinbar regellose Linienspiel gestattete den Künstlern alle möglichen Freiheiten, verwarf aber trotzdem das kleinste fremde Element. Alle sprechen sie die Sprache ihrer Zeit, aber jeder von ihnen benützte wieder eine andere Ausdrucksweise.

 

Empire-Stuhl von C. Percier und E.F.L. Fontaine









 

 

 

 

 

 

 

 



Empire-Bettstelle von C. Percier und E.F.L. Fontaine

 

    Treffend charakterisiert Gurlitt in seinem Werke über Barock und Rokoko jene Zeit:
    »Die sonst in Frankreich als ein so wesentliches Erfordernis der Schönheit gerühmte Symmetrie wird mehr und mehr aufgegeben, die Willkürlichkeit der Schmuckweise erscheint als eine grundsätzliche, nur die malerisch plastische Gliederung der Massen behält künstlerische Bedeutung. Die Architektur wird zum Spielzeug in den Händen ihres Bildners, der eine besondere Freude daran hat, in seinen Stichen ganze Aufbauten und Bogenstellungen zu biegen, zu strecken, abzubrechen, kurz, seinen krausen Absichten gemäß umzuformen wie ein weichbildsames Wachs. Dabei beginnt der Naturalismus eine immer größere Rolle zu spielen, Blumen wachsen aus dem Ornament hervor, Blattranken schließen sich um dasselbe, die Deckenmalerei entlehnt die barockesten Ideen aus Italien, die Möbel schließen sich an vielgewundener Form den Wandverkleidungen, diese womöglich überbietend an. Überall eine Übertreibung, ein Vergewaltigen, eine gesuchte Verschnörkelung, überall aber auch eine Meisterschaft, die den Zorn über die Verunstaltung der Form nicht aufkommen läßt.«
    An den Beispielen aus der vorangegangenen Barockzeit haben wir gesehen, wie in jener Epoche, sowie selbst auch noch in der Übergangszeit der Régence, die gerade Linie vielfach vorherrscht. Namentlich die Feldereinteilungen der Wände sind meist noch rechtwinklig angelegt, und nur die innerhalb der Umrahmung angeordneten Ornamente haben eine freiere Behandlung erfahren. Aber auch die Konturen und Bewegungen dieser Details bleiben unter Beobachtung der Symmetrie immer noch ruhig und vornehm, wir bemerken nicht mehr die Überladungen des Barock, sind aber auch noch nicht in die wilde Ausgelassenheit des Rokoko hineingeraten. Nach und nach erst hat sich dann die geschweifte Linie und das Schnörkelwerk in der Innendekoration jeder Kontur und am Möbel oft auch noch jeder Fläche bemächtigt. Selbst die Profilierungen werden weich und schmiegsam und bleiben vielfach nur auf Rundstab und Hohlkehle beschränkt. Diese Formensprache konnte ihrem ganzen Spesen nach sich eigentlich so recht nur im Innern des Hauses entfalten, mit Stuck und Holz läßt sich besser in ihr reden als in dem schweren, harten Material des Steines. (Abb. 106.) An Fassaden, Vorräumen u. dgl. finden wir wohl deshalb auch noch meist Anlehnungen an die Antike unter Verwendung ionischer und korinthischer Säulenstellungen, und nur im ornamentalen Beiwerk, z.B. an Fenster- und Türbekleidungen und -bekrönungen, kommt die Ausdrucksweise dieser Zeit zum Wort. Im Innern des Hauses dagegen hatte die Frau die unumschränkte Herrschaft an sich gezogen, ein großer Teil des gesellschaftlichen Lebensspielte sich in ihren Räumen, die den größeren Prunkräumen des Barock gegenüber kleiner und intimer geworden waren, ab.





Empire-Dekoration.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die jeden Glanz steigernde Spiegelarchitektur der Wände – sowohl die Prunksucht als auch die Eitelkeit fördernd –, die überall entfaltete Vornehmheit und Pracht, ferner die Anhäufung aller möglichen kleinen Dekorations- und Luxusgegenstände zeigt so recht deutlich den Einfluß weiblicher Wesensart. Unter letzteren spielen besonders die bereits unter Louis XIV. aus Japan und namentlich China eingeführten, vorwiegend keramischen Erzeugnisse eine große Rolle.


Letzteren ist auch wohl die häufige Verwendung ostasiatischer Dekorationsmotive, der Drachen, Affen usw. zuzuschreiben, wie vielleicht auch die helle Farbe sowohl dieser Keramiken, als auch der Erzeugnisse der deutschen und französischen Porzellanfabriken mit ihren zarten Tönungen von einigem Einfluß auf die hellen Farbenstimmungen des Rokoko gewesen sein mag.

Fast ohne Ausnahme wurden ja die nur in Höhe der Fensterbrüstungen angebrachten Wandverkleidungen, Türen usw. mit ganz zarten, hellen, grünlichen, bläulichen, lilafarbenen oder auch weißen Lackierungen versehen. Auch durfte hier, wo möglichst viel Licht und Glanz geschaffen wurde, in der Dekoration natürlich auch Silber und Gold nicht fehlen. Dieser Prachtentfaltung entsprechend konnten dann für die Wandbespannungen, für Möbelbezüge und Dekorationen ebenfalls wieder nur kostbare Materialien, wie Atlas und Seidenstoffe, in den zartesten Nuancen von blau, grün, gelb oder rot, ferner golddurchwirkte Brokate oder Gobelins in Betracht kommen. An den Fensterdekorationen finden wir des öfteren glatte Lambrequins mit reichen, oft wieder golddurchsetzten Stickereien und entsprechenden, unten leicht zurückgenommenen Schals angebracht, nicht selten aber auch geschnittene Festonsarrangements aus Seide und Atlas.

Diese Behänge, mit vielen kleinen und deshalb nicht tiefen Falten angeordnet, konnten die glänzende Wirkung ihrer Materialien so recht deutlich zum Ausdruck bringen. Auch an sonstigem Ausputz, wie in der Aufwendung für Schleifen und Bänder, Posamenterien u. dgl., ferner in der Verwendung reich bestickter chinesischer und japanischer Originalstoffe geschah immer mehr, so daß namentlich das Arbeitsgebiet des Dekorateurs einen selten großen Umfang angenommen hatte. Der Schmuck der Decke bestand meist aus reichen, oft vergoldeten oder versilberten Stuckornamenten, deren Felder nicht selten mit Malereien, meist Liebesszenen darstellend, versehen wurden.

Das Mobiliar wurde in jener Zeit mannigfaltiger und dem des Barock gegenüber leichter, beweglicher und graziöser. Namentlich an Sitzmöbeln jeder Art ist kein Mangel. Sie alle weisen reiche, oft genau dem Körper angepaßte Formen auf, seltener mit Rohr als mit Polsterung versehen. Nach einem flotten Entwurf sind die Möbel im Aufbau so leicht und elegant ausgeführt, die Füße so kräftig geschweift und zierlich ausgearbeitet, daß sie scheinbar die ihnen zugemutete Last kaum zu tragen vermögen. Ganze komplette Garnituren, aus Stühlen, Fauteuils und Sofa bestehend, werden geschaffen, bei denen namentlich das letztere als Neuschöpfung eine große Rolle spielt. Ferner entstanden, ganz bezeichnend für das damalige Gesellschaftsleben, in dieser Zeit die Chaiselongue (wörtlich: langer Stuhl) und der Doppelsitz, beide ursprünglich eigentlich nichts anderes als zwei zusammengebaute Fauteuils.






Stuhl Chippendale









Aufzuführen ist hier neben den Sitzmöbeln auch der meist mit reicher Stickerei versehene Paravent, dessen Bedeutung mindestens dieselbe bleibt wie im vorangegangenen Barock.

 

 

 

 

 

 

Was nun die Schrankmöbel betrifft, so ist auch bei ihnen in jener Zeit wirklich Hervorragendes geleistet worden; als zwei der wichtigsten Stücke sind Kommode und hauptsächlich Schreibtisch zu nennen. Die Füße dieser Möbel, die in der Zeit der Régence nur leicht geschweift sind und die ihnen zugemutete Last noch zu tragen vermögen, sind allmählich zum vollständig Sförmigen oder  gebrochenen übermütigen Schnörkel geworden. (Abb. 105.) Zu keiner anderen Zeit, weder vor- noch nachher, finden wir ähnliche Leistungen im Gebiete der Innendekoration, bei denen alles nur Schweifung und Ornament bedeutet, und bei denen alle Überlieferungen im Aufbau der Möbel so beiseite geschoben scheinen. Neben der Schnitzerei werden namentlich reich ziselierte Bronzen in matter oder polierter Ausführung zur Dekoration herbeigezogen. Diese Metallapplikationen, die früher nur auf einzelne Teile des Möbels, wie Schlüsselschilde und - griffe, Fußstützen u. ähnl., beschränkt bleiben, folgen später den eleganten Konturen der ganzen Füße und breiten sich schließlich in graziösem Rankenwerk über die ganzen Flächen der Möbel aus.





 Porzellanschrank Chippendale


Auch an sonstigen Metallarbeiten, schmiedeeisernen Gittern, Leuchtern, Spiegel- und Bilderrahmen, sind uns aus jener Zeit treffliche Arbeiten überliefert worden, die ebenso wie die Leistungen auf dem Gebiete der Holz- sowie Textilindustrie Frankreich gegenüber von keiner anderen Nation übertroffen werden konnten.
    Daß bei einer derartigen Prachtentfaltung allmählich auch Übertreibungen vorkommen mußten, ist begreiflich. So begegnen wir denn schließlich an dem Stuckwerk der Wände Ornamenten, die aus festgefrorenen Wellenkämmen, aus Flammen, Felsen und Felsengrotten zu bestehen scheinen. Der französische Ausdruck für letztere, rocaille, ist wohl auch deshalb für die Bezeichnung dieser Zeit gewählt worden.
    Neben den bis jetzt erwähnten plastischen Dekorationsmotiven standen auch die in dieser Zeit ebenfalls aus China und Japan eingeführten Lackarbeiten in hohem Ansehen. Der hohe Preis dieser immer seltener werdenden Originale veranlaßte die Glieder der Familie Martin zu einer Reihe von Versuchen, bei denen es gelang, der Technik dieser Relief-Lackarbeiten auf die Spur zu kommen und sie an Neuschöpfungen im Sinne damaliger Zeit zur Anwendung zu bringen. Ein weiterer Rivale entstand den Schnitzereien und Metallbeschlägen in der wieder erwachenden Vorliebe für glatte Flächen, die durch ein Zusammensetzen verschiedenfarbiger Furniere oder durch Einlagen aus exotischen Hölzern belebt wurden und so ein Abschwenken von der bisher beschrittenen Bahn bereits in den letzten zehn Jahren der Regierungszeit von König Ludwig XV. deutlich merken ließen.
    In diesem ganzen Louis XV., dem Stil der Tändelei und der Verliebten, spiegelt sich so recht der überlebenslustige Charakter eines Teils des französischen Volkes wider. Die dekorative Pracht dieser Hofkunst konnte sich wohl in einfachen Kreisen keine Volkstümlichkeit erringen, unter diesen Ausschweifungen keimte bereits der Samen, aus dem sich schließlich die Revolution entwickeln mußte. Da eine Steigerung der Effekte kaum mehr möglich war, mußte unbedingt ein Rückschlag folgen.
    Doch kam das abermalige Zurückgehen auf die Antike, der Neuklassizismus, erst nach dem völligen Ausleben des Rokoko zum Durchbruch.
    In Deutschland hat das Rokoko sich begreiflicherweise in erster Linie zunächst an den zahlreichen Fürstenhöfen, namentlich auch an dem Friedrichs des Großen, Eingang verschafft. Die teilweise noch gut erhaltenen Werke aus jener Zeit lassen erkennen, wie namentlich die Übertreibungen aufgegriffen worden sind, und wie deshalb die Unsymmetrie ihre höchsten Triumphe feiern konnte. Was die Ausführung der Möbel anbelangt, so unterscheidet sich das »deutsche Rokoko« vom französischen namentlich dadurch, daß ihnen die natürliche Holzfarbe belassen blieb, im Gegensatz zu den französischen Arbeiten, die vielfach mit einem schon erwähnten Lackanstrich versehen wurden. Im allgemeinen hat sich dann diese Stilart auch in Deutschland ziemlich weit verbreitet und einzelne charakteristische Schöpfungen gezeitigt. Ein treffendes Beispiel hiefür ist der Ofen, der ja in keiner deutschen Wohnung fehlen darf. An anderer Stelle haben wir bereits gelesen, daß der Ofen der Renaissance aus farbigen viereckigen Kacheln aufgebaut wurde, im Gegensatz hiezu besteht der eigentliche Rokokoofen aus einigen Einzelstücken in glasiertem Ton, die, mit farbigen oder plastischen Ornamenten versehen, so aufeinander gesetzt werden, daß wir glauben, nur ein einziges Ganzes vor uns zu haben.

 

Es folgt noch : Louis XVI., Neuklassizismus.

 

Quelle: Bücheler: Stilarten








 

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